Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Bertolt Brecht wusste, dass Herr Maslow erst dann den Innenarchitekten ins Penthouse seiner Bedürfnispyramide kommen lässt, wenn`s ihm „unten rum“ schon richtig gut geht. Will sagen: Wenn die tägliche Daseinssorge nicht mehr übermächtig ist, mobilisieren wir Zeit und Energie für Gedanken um unser Morgen. Das ist vielleicht nicht klug, aber menschlich. Wirtschaftlich und wissenschaftlich hoch entwickelte Volkswirtschaften müssen nämlich voran gehen, ohne sich von der Ignoranz anderer entmutigen zu lassen. Entscheidend dabei ist die Ernsthaftigkeit. Denn es ist nicht gut, wenn nur die Marketingabteilungen die CSR-Politik eines Unternehmens definieren, weil sie sich davon Wettbewerbsvorteile erhoffen. Im Foyer plakatieren sie dann die neue Moral und drei Räume weiter wird Business as Usual gelebt. Klar ist: Wenn es um gesellschaftlich verantwortliches Handeln geht, müssen die richtigen Dinge um ihrer selbst willen getan werden. CSR ist nur nachhaltig, wenn sie ganzheitlich aus Überzeugung gelebt und aus den Wetterkapriolen des Opportunismus herausgehalten wird. Einige grüne Strategien sind leider kaum mehr als verlogene, bestenfalls bruchstückhafte Zeitgeistprodukte. Mit gesellschaftlicher Verantwortung auf Lippen und Fahne lässt sich eben Staat machen.
Aber: Die Mutter der wahren Nachhaltigkeit ist die Vernunft, ihr Vater der gesunde Menschenverstand. Diese Eltern wissen, dass Wachstum endlich ist und man nicht auf Dauer straffrei gegen Naturgesetze verstoßen kann. Es geht um sehr viel mehr, als um ein paar „nette grüne Strategien“ und daher könnte der konsequente Ausbau dieser Denkansätze unsere Welt wahrscheinlich wieder so umwälzend verändern, wie es einst die industrielle Revolution tat.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat die Handlungsfelder für glaubwürdige CSR-Strategien vor langer Zeit schon komplex definiert. Sie müssen umfassen: „den betrieblichen Umweltschutz, die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen, die Beachtung des Umweltschutzes und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette, eine integrierte Produktpolitik und den Verbraucherschutz.“
Die Anbieter gehen voraus. Wann folgt der Kunde?
Das ist das Pfund, auf das in der Endausbaustufe eingezahlt werden muss, wenn man mit Nachhaltigkeit Ernst machen will. Wenn auch die Sicherstellung „der menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette“ in einer globalisierten Wirtschaft leider politisch leichter zu fordern als mit Realitätssinn umzusetzen ist. Wie so manch anderer idealistischer Schuss über das hehre Ziel hinaus.
Wie man es auch dreht und wendet: Zunächst kostet Vieles mehr bürokratischen Aufwand und mehr Geld. Das wird finanziert werden müssen. Auch und vor allem vom Kunden. Der spielt noch nicht so richtig mit. Wenn es aber irgendwann fast zwangsläufig zu einem „Weniger ist mehr!“ kommt und damit zu einer reflektierten Veränderung unserer verschwenderischen Gewohnheiten, dann haben wir viel gewonnen. Situs, altius, fortius war gestern.
Dass immer mehr Anbieter im MICE-Segment konsequent so bemerkenswerte Löcher in das dicke Brett von CSR bohren, verdient höchsten Respekt und macht ein bisschen stolz auf unsere Branche, die häufig zu Recht als oberflächlich gescholten wird. Wenn platte Ideologie und Weltverbesserer-Romantik draußen bleiben, Vernunft und gesunder Menschenverstand die Oberhand behalten, dann wird auch auf Kundenseite Schritt für Schritt aus einem vormals grünen Kostüm ein Alltags-Anzug für eine sinnvollere Zukunftsaufstellung. Das Schönste: Für viele Maßnahmen muss man nicht immer mehr Geld in die Hand nehmen, wie das Beispiel von Artlife zeigt.
Autor: Hans Jürgen Heinrich
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