Jetzt tun wir mal so, als ob wir ab Juni wieder normale Zeiten hätten. Dabei drehen wir die Zeit aber nicht einfach zurück, sondern nutzen positiv die Gedanken und Erfahrungen der letzten zwei Monate. Unsere Branche wird nachhaltiger. Zoom, Teams und GotoMeeting haben gezeigt, nicht jeder Projektstatus kann nur Face-to-Face im realen Meetingraum stattfinden. Gehen wir also schonender mit unserer aller Zeit um und nutzen die wegfallenden Reisezeiten fürs Denken. Und da Zeit Geld ist, sparen wir nicht nur CO2 ein, sondern auch noch reales Geld. Nur die Airlines könnte es ärgern, aber wurde nicht ohnehin viel zu viel geflogen? Mit dieser Entwicklung, die sehr wahrscheinlich ist, können wir eigentlich leben.
In den jüngsten Telefon-, Chat- und Video-Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen schwingt die Hoffnung mit, dass vieles an unserer Arbeit sinnvoller wird. Dazu sollten wir verstärkt auf das Vermeiden und Reduzieren von Ressourcenverschwendung achten.
Der polnische Theateravantgardist Grotowski strebte mit dem „armen Theater“ schon vor 50 Jahren eine von allem Überfluss des herkömmlichen Theaterapparats befreite Kunst, die sich auf die Schauspielerinnen und Schauspieler und die Teilnehmer fokussierte, im Gegensatz zum konventionellen Schauspiels des „reichen Theaters“ mit üppigen Bühnenbildern, aufwändigen Kostümen und komplexem Lichtdesign. Auch die italienische „Arte povera“ ging Ender der 60er einen ähnlichen konzeptionellen Weg durch die Verwendung von Alltagsmaterialien besonders bei Rauminstallationen, an Stelle von Marmor oder Bronze.
Ein Plädoyer für „arme Live-Kommunikation“ klingt heute zynisch. Aber es geht ja nicht zuerst ums Geld und Materielle, sondern um die Fokussierung auf Idee und ihre möglichst wirkungsvolle Inszenierung mit größtmöglicher Ressourcenschonung. Wir sollten die Zeit für diese Entwicklung nutzen, bis wieder Veranstaltungen und Messen stattfinden, sofern wir so lange überleben muss man fairerweise hinzufügen. Auch wenn jetzt der Lockdown für Messen und Marketing-Events in Deutschland gelockert wird, muss sich zeigen, wie messe- und eventfreudig die Unternehmen überhaupt sind.
Autor: Stephan Schäfer-Mehdi
Abbildung: Ein Objekt der „Arte Povera“ wikipedia Igloo di pietra (1982) by Mario Merz in KMM sculpturepark/The Netherlands / Fotograf: Gerardus